Ortsverein Bonn-Holzlar-Hoholz
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Solidarisches Grundeinkommen Neue Idee oder Nebelkerze?

Ein neuer Zauberbegriff verwirr t die Öffentlichkeit: das solidarische Grundeinkommen– von Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller als Abschied von Hartz IV ins Gespräch gebracht.

 

Erstaunlicherweise ist diese aus Müllers Hut gezaubert Idee weder neu noch ein Grundeinkommen noch ein Ende von Hartz IV, ist aber wohl als Befreiungsschlag gedacht, die SPD aus der ungeliebten Identifikation mit der Agenda 2010 und Hartz IV zu befreien.

 

Es geht um die Bundes-Sozialleistung, die wie die Sozialhilfe an Arbeitslose
bezahlt wird, wenn die Leistungen der Arbeitslosen-Versicherung ausgelaufen sind, genannt ALG II oder auch Hartz IV.


Es ist eine alte Idee, dass es besser sei, solche Sozialleistungen für Arbeit zu bezahlen als fürs Nichtstun. Und es ist eine alte Vermutung, dass es im öffentlichen Bereich Arbeiten gibt, die von Arbeitslosen erledigt werden könnten, ohne den normalen „ersten“ Arbeitsmarkt zu schädigen. Herkömmlich nennt man das „Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen“, die z.B. als „1€-Jobs“ längst existieren.


Müller meint nun, die Annahme eines solchen Jobs durch Empfänger von ALG II sollte freiwillig sein und oberhalb des gesetzlichen Mindestlohns vergütet werden – möglichst auf der Grundlage von Tarifverträgen.

 

Keine Frage, dass ein solches Angebot für ALG II-Empfänger attraktiv wäre, wenn keine Angebote aus dem „ersten“ Arbeitsmarkt vorliegen - man kriegt mehr und muss dafür arbeiten. Wer das nicht will, bleibt nach Müller in Hartz IV, das also keineswegs verschwindet.
 

Das kaum lösbare Problem liegt auf der anderen Seite, bei jenen öffentlichen Arbeitgebern, die von einem Job behaupten müssen, er könne nicht auf dem normalen Arbeitsmarkt besetzt werden. Da wird sich die einstellende Stelle sehr kreativ viel einfallen lassen, denn ihr Budget würde ja nicht einmal mit 1 € pro Stunde in Anspruch genommen. Vielmehr käme die volle Finanzierung vom Bund, der die Mittel für das ALG II ent-sprechend aufstocken müsste.

 

Es wäre also ein indirekter, zusätzlicher Finanztransfer vom Bund in die Länder und Kommunen. Das macht ein Motiv Müllers deutlich, nämlich die Entlastung des Berliner Haushalts; denn Berlin hat neben Bremen den höchsten Anteil (14%) an Hartz IV- Empfängern. Wenn es gelänge, notwenige Arbeiten auf diesem Wege in die Bundesfinanzierung zu schieben, würden Berliner Mittel frei, andere Aufgaben zu erfüllen.

 

Wertung: Man kann es durchaus für eine positive soziale Maßnahme halten, wenn höhere Bundesleistungen für ALG II dazu führen, dass mehr Menschen Arbeit bekommen. Man sollte die Möglichkeit, einen sozialen, „zweiten“ Arbeitsmarkt sauber vom normalen, „ersten“ Arbeitsmarkt unterscheiden zu können, nicht allzu hoch veranschlagen, könnte es aber begrüßen, wenn die Länder und Gebietskörperschaften mit den relativ geringen zusätzlichen Bundesmitteln die Arbeitslosigkeit verringern.


Erklärender Nachsatz zur Kritik an ALG II/Hartz IV:
Diese Kritik wird leider fast ausschließlich in der Forderung konkretisiert,
Hartz IV abzuschaffen, ohne zu detaillieren, was mit den Arbeitslosen jenseits der Arbeitslosen-Versicherung geschehen soll. Zurzeit beziehen etwa 1,5 Mio. Arbeitslose ALG II, etwa 5 Mio. sind arbeitende „Aufstocker“.


Ich sehe 4 Felder der Kritik, bzw. von Veränderungsmöglichkeiten:
1) Verlängerung der Zahlung von Arbeitslosenversicherung (das bedingt entsprechend höhere Versicherungsbeiträge von Arbeitgebern und –
nehmern!)
2) Deutliche Erhöhung der Sätze, etwa um bis zu 20%, wie es auch Georg Cremer für angemessen hält (da die Empfänger zusätzlich die Warm-Miete einer angemessenen Wohnung sowie die Krankenkasse bezahlt bekommen, kann hier der Abstand zu nicht subventionierten (Mindes-)Löhnen zu klein werden, was sozial unerträglich wäre)
3) Wegfall des sanktionierten Forderns, also der Verpflichtung von 3 vermittelten Stellen eine anzunehmen, auch wenn sie eine deutliche Verschlechterung bedeutet (damit würde das System zum bedingungs-losen Grundeinkommen bei staatlicher Übernahme der Warm-Miete und der Krankenkasse)
4) Abkehr von der Budgetierung, bei der der ALG II-Empfänger auch größere Anschaffungen durch Ansparen oder Vorschuss-Rückzahlungen zu bewältigen hat. (das wäre wohl eine wesentliche Aufblähung des Verwaltungsaufwandes)
Man sollte den Erfolg der rot-grünen Arbeitsmarktreformen von 2005 aber
nicht verdrängen: damals hatten wir 1,7 Mio. Langzeit-Arbeitslose (>1 Jahr ohne
Arbeit), 2017 nur noch die Hälfte – 10% weniger als im Vorjahr.

 

Anmerkungen
1) Rechenbeispiel bei 7 Mio. Hartzern mit 1000€ pro Jahr mehr = 7 Mrd. € - eine Summe, die in Deutschland nicht unerreichbar sein sollte.


2) Da ALG II den Medien als Synonym für Armut gilt, wäre eine so wesentliche Anhebung der Sätze keine Verringerung, sondern eine Erhöhung der publizierten Armutszahlen.

Jessica Rosenthal - Politik aus Überzeugung - Für Bonn, für unser Land
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