Lange, allzu lange ist mutig geredet, aber nicht gehandelt worden. Nun haben sich einige politische Kräfte entschlossen, Klartext umzusetzen, insbesondere bei Klimaschutz und Sozialstaat. Hervorzuheben sind dabei in Deutschland die SPD und in Europa der Rat und das Europäische Parlament.
Was in den letzten Wochen vorgeschlagen oder schon beschlossen wurde ist revolutionär und wird zeigen, ob die Öffentlichkeit und die Wähler zu ihren
Lippenbekenntnissen stehen oder die Mutigen doch lieber abwählen.
Denn es würde ernst, wenn es ernst würde: die SPD-Beschlüsse zum Sozialstaat habe ich vor wenigen Tagen kritisch, letztlich aber positiv kommentiert; hier nun einige Bemerkungen zu Svenja Schulzes Klimaschutz-Gesetzentwurf sowie den europäischen Beschlüssen zu Verkehrsemissionen.
Man kann es von zwei Seiten bewerten: ist es feige, als Umweltministerin keine Maßnahmen, sondern nur Aufträge an andere Ministerien zu formulieren?
Oder ist es taktisch richtig, gesetzliche Verpflichtungen für die Ministerkollegen beschließen zu lassen, die dann ihren Kopf für oft unpopuläre Maßnahmen hinhalten müssen.
Denn Klimaschutz ist nicht zum Nulltarif zu realisieren – eine bessere
Lebensqualität auf unserem Planeten kostet Geld, sie ist es auch wert.
Ich habe immer wieder beklagt, dass Regierung und Parlament irgendwelche Ziele beschlossen haben, aber keine tatsächlich wirkenden Maßnahmen, etwa eine allgemeine Kohlenstoff-Lizensierung b.z.w. einheitliche Kosten für das Verbrennen von Kohlenstoff.
Dieser eleganteste Weg zu europaweitem Klimaschutz wurde politisch verweigert, weil er automatisch wirkt, also keine politische Schonung
bestimmter Gruppen und Interessen erlaubt.
Jetzt will die Umweltministerin den zuständigen Ministerien differenzierte
Ziele vorschreiben. Da wäre es natürlich fair und kostenminimierend, wenn in allen Bereichen die Grenzkosten der Treibhausgas-Einsparung gleich wären. Das sollen sie aber offenkundig nicht sein,
sonst müsste man ja nur diese Kohlenstoffbepreisung beschließen und könnte den Markt wirken lassen. Man wird also genau hinschauen müssen, welche Interessen das Klimaschutzgesetz schonen wird und
welche Gruppen überproportional zur Kasse gebeten werden.
In jedem Fall geht es jetzt ans Eingemachte; man denke nur an den großen
Brocken des Bauens und der Altbausanierung, deren Kosten bisher weder privat zumutbar noch staatlich finanzierbar waren. Da wird keine gesetzliche Zielfestlegung helfen, wenn nicht zugleich
festgelegt wird, wo das Geld herkommen soll in Anbetracht der rückläufigen Konjunktur, der sanierungsbedürftigen Verkehrsinfrastruktur, der angestrebten Erhöhung der Sozialausgaben und Renten, der
überfälligen Bundeswehrausstattung mit funktionsfähigen Waffen und Transportmitteln, Stärkung von Bildung und Forschung u.s.w. u.s.w.
Auch das Europäische Parlament und die EU als Gemeinschaft hatten den Mut, die CO2-Emissionswerte für Privat- und Nutzfahrzeuge für 2025 und 2030 so drastisch zu senken,
dass eine ganze Industrie von Motorenbauern keine Zukunft mehr hat. Ebenso ergeht es einer anderen Stärke deutscher Industrie, den Kraftwerksbauern; denn alle auf Verbrennung beruhenden Ingenieur-
und Industriekompetenzen werden über die nächsten 2 Jahrzehnte abzuschreiben sein (wie zuvor schon die Spitzenkompetenz deutscher Kerntechnik).
Dafür sind die Fähigkeiten auf den Gebieten Werkstoffentwicklung und Elektrochemie sowie digitale Informationstechnik und Sensorik auf Weltspitze zu bringen, Gebiete, auf denen sich Ost-Asiaten beträchtliche Vorsprünge erarbeitet haben.
Gespannt bin ich auch auf die Konkretisierung eines wirksamen Klimaschutzes bei Landwirtschaft und Ernährung. Vielleicht zeigt die aktuelle Auseinandersetzung um das
„Bienen“-Volksbegehren in Bayern einen Lösungsweg – vielleicht sogar mit aktiver Unterstützung der CSU.
Schon wird sichtbar, dass die populistischen Kräfte, in Deutschland die AFD, jede Notwendigkeit zum Klimaschutz leugnen wie die US-Republikaner und Brasiliens neue
Herren. Sie stehen bereit, den von Klimaschutzmaßnahmen materiell betroffenen Bürgern einzureden, dass sie nicht den Planeten retten, sondern Opfer linker Ideologie sind. Für diese Parteien sind
gerade EU-Beschlüsse Feindaktionen, die ihrer nationa-listischen Engstirnigkeit Substanz geben wie bisher vor allem die Migranten und die Verächtlichmachung der tüchtigen Brüsseler
Bürokratie.
Wenn es nun also ernst wird, dann muss in ganz anderem Maße dafür geworben und argumentiert werden als bisher. Es muss der persönliche Nutzen des Klimaschutzes für das
Leben unserer Kinder und Enkel deutlich werden, und dabei müssen die zahlreichen Pseudo-Experten entlarvt werden, die aus Dummheit oder von Interessengruppen bezahlt Zweifel schüren.
Und Durchsetzung tut Not – sei es z.B. beim Ausbau von Windenergie und
Netz oder auch bei den alpenquerenden Bahntrassen im Rhein- und Inntal.
Und zur Umsetzung gehört eine enge jährliche Erfolgskotrolle mit Korrektureingriffen;
das ist ein besonders gutes Element des Schulze-Vorschlags.