Ortsverein Bonn-Holzlar-Hoholz
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Fluchtursachen II

Oder wie beseitigt man Diktaturen und Bürgerkriege

von Gerd Eisenbeiß 21. Juni 2016

Lieber Freund,
ich hatte Dir am 21. September 2015 ein paar Gedanken zum Thema Fluchtursachen geschrieben.

Nichts davon habe ich 9 Monate später zurück zu nehmen, aber eine wichtige zusätzliche Erkenntnis kam mir nach der letzten Veröffentlichung eines UNHCR1-Berichtes. Dem war zu entnehmen, dass zurzeit 65 Mio. Menschen auf der Flucht sind, von denen zwei Drittel innerhalb ihres Landes vertrieben wurden oder
geflüchtet sind; nur etwa ein Drittel ist über die jeweilige Staatsgrenze geflohen, wovon wiederum ein Großteil in Nachbarländern Zuflucht gesucht hat und erhält.

 

Nun wird immer behauptet, es sei die Armut, die den großen Flüchtlingsstrom in
Bewegung setze. Sicher gibt es diese Armutsflüchtlinge.

Aber die Zahlen des UNHCR weisen in eine andere Richtung. All die über 40 Mio. Binnen-Flüchtlinge fliehen ja in vergleichbar arme Regionen, wo sie wenigstens gleiche Sprache und gleiche Kultur/Religion vorfinden.


Die allermeisten Flüchtlinge kommen aus Bürgerkriegsgebieten oder schlimmen
Diktaturen wie Eritrea oder Gambia. Dabei haben Bürgerkriege zumeist ihre Ursache in schlimmen Diktaturen wie z.B. in Syrien oder der Terrorherrschaft des IS bzw. der Taliban in Afghanistan. Zusätzlich fördert die Existenz gescheiterter Staaten wie insbesondere Libyen, Nord-Mali oder Süd-Sudan sowohl die Entstehung von Fluchtgründen wie auch die Unkontrollierbarkeit des kriminellen Schleuserwesens.


Da bekommt die Forderung, endlich die Fluchtursachen zu bekämpfen, einen ganz
anderen Drall, den wir zumindest schon im Falle Syriens begriffen haben sollten: Es
geht dabei eben nicht um Armutsbekämpfung mittels Geld, Ausbildung und gutem
Rat, ggf. auch um fördernde Handelspolitik, sondern um die Frage, wie wir Menschen von Diktatoren befreien.


Und da ist guter Rat teuer. Die USA haben es in den letzten Jahrzehnten zweimal
militärisch versucht:


Zunächst in Afghanistan durch Unterstützung der Aufstände gegen das sowjetische Karmal/Nadschibullah-Regime; dabei sollen die USA unter anderem
auch die Taliban unterstützt haben – mindestens indirekt über Pakistan. Als die
sowjetischen Verluste zu groß wurden, beendete Gorbatschow die sowjetische
Intervention. Im anschließenden Chaos eroberten die in Pakistan mit saudischem
Geld ausgebildeten und indoktrinierten Taliban fast das ganze Land. Nur im Norden leisteten Tadschiken- und Usbeken-Führer dauerhaften Widerstand. Erst nach 2001 wurde dieses Regime wiederum mittels militärischen Eingreifens des Westens beseitigt und ein neuer Versuch gestartet, eine demokratisch- friedliche Entwicklung in Gang zu setzen. Auch diese Intervention ist gemessen an ihren Zielen weitgehend gescheitert. Afghanistan leidet weiter unter einem permanenten blutigen Bürgerkrieg und riesiger Korruption. So ist Afghanistan weiterhin eine der größten Fluchtquellen. Ich glaube nicht, dass heute noch irgendjemand sagen könnte, wie man in dieser Situation die Fluchtursachen in diesem Land bekämpfen könnte.


Der zweite Versuch war der erfolgreiche Sturz des irakischen Diktators Sadam
Hussain. Auch hier zeigte sich, dass der Irak zwar befreit, aber letztlich destabilisiert und in tiefstes Elend gestürzt wurde. Man kann über manche Fehler der US-Besatzungsmacht streiten, aber spätere Erfahrungen mit Diktatorenstürzen in der arabischen Welt (Libyen, Ägypten, Jemen) lassen es unwahrscheinlich erscheinen, dass der Eingriff hätte mit einer funktionierenden rechtsstaatlichen Demokratie enden können. Nach hunderttausenden von toten und verstümmelten Irakern muss man sagen, dass Sadam Hussain besser weiter regiert hätte bis zu seinem natürlichen oder gewaltsamen Tod durch innerirakische Gruppen.

 

Schlimmer noch: der IS kann als eine direkte Folge der irakischen Wirren nach
Abzug der Amerikaner verstanden werden. Es spricht viel dafür, dass der Kern
des IS sunnitische Offiziere Sadams sind, die sich mit wahabitischen  Fundamentalisten zusammen getan haben. Aus militärischer Sicht ist die unglaubliche Primitivität und Brutalität des wahabitischen Furors ein Vorteil für die gnadenlose Motivation der Kämpfer. Leider ist die Abschottung der IS-Führung so erfolgreich, dass man über das Machtverhältnis von echt fundamentalistischen Kalifatsgläubigen und religiös wenig engagierten und zynischen Militärs wenig
weiß. In Syrien hat der irakisch entstandene IS dann freies Spielfeld gehabt, als
der Aufstand gegen den Diktator Assad im Westen Syriens zum Bürgerkrieg
geworden war.


Wer nun weiterhin meint, der Westen könne und müsse Fluchtursachen bekämpfen, der muss Vorschläge zum Sturz z.B. von Isayas Afewerki in Eritrea machen oder von Yahya Jammeh in Gambia oder von Robert Mugabe in Simbabwe, der muss sagen wie die zahllosen Bürgerkriege in Afrika, in Kolumbien, auf den Philippinen, in Jemen und der Ost-Ukraine beendet werden können. Und der muss einen Plan haben, wie nach dem Sturz eine bessere Zukunft für die Befreiten ohne Chaos und neue Machthaber gesichert werden kann.
 

Denn wo Frieden herrscht und gute Regierung wie in Bolivien, Ghana, Tansania
oder Botswana oder dem riesigen Indonesien, da wandern trotz großer Armut nur
relativ wenige Menschen aus. Familie, Stamm und vertraute Heimat sind sehr, sehr
starke Bindekräfte!

 

Im Fazit bietet diese Analyse auch keine Lösung, aber sie widerlegt die oft mit moralischem Vorwurf vorgetragene These, der Westen müsse und könne die Ursache von Armut und Flucht beseitigen.
Mit herzlichen Grüßen

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